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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,1.1926-1927

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Heft 2 (Novemberheft 1926)
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Alverdes, Paul: Sprache, Dichtung, Gegenwart
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Popp, Josef: Moderne Bildnerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.8881#0095

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Der Mangel an Ranm nötigt uns fürs erste, auf tr»eitere Beispiele zu verzichten.
Wenn es aber so ift, daß in den gleichen Blättern die Sache der Sprache, der Dich-
tung, deö Geiftes überhaupt zugleich vörtreten und verraten tverden kann, an was
sollen sich die Hunderttausende Unberatenen, großen BeispieleS Bedürftigen, deren
einzige Lektüre in allzuvielen Fällen eben ihr Blatt sein muß, an was sollen sie sich
halten? Es ift dcm Menfchen angeboren, das Bequeme, das Gemeine williger an-
zunehmen, als das Ernfte und das Bedeutende; und so macht er sich mit Behagen
zu cigen, was ihm Unverantwortliche anzumifchen nicht müde werden: jene hundert
und tausend Romane, deren Geftalten und Schicksale so unwahr und hohl bleiben
müssen, wie die Sprache und Haltung, in der sie vorgetragen werden. Da ift denn
das Leben ein Spaß und die Welt in fchönfter Ordnung, da läßt es sich gut sein
bei den albernften Liebeshändeln, bei Entführungen und großartigen Mausereien und
bei den königlichen Abenteuern der Kriminal-Amateure und der Fassadenkletterer;
durchaus als lägen nicht Gräber hinter uns und vor uns, als ftiegen bei Nacht
nicht Geftirne herauf und die Sonne bei Tage. Oder ift es an dem, daß man sich
fürchten muß vor der Wahrheik und durch kein echtes Wort, keine echte Geftalt
mehr erfchreckt sein will?

IV.

Schwerer als jemals erfcheint heute daS Amt der Dichter. Kaum beachtet, wie
außerhalb der Nation arbeiten sie im ftillen fort, den heiligen Schatz der Sprache
zu hüten, ihn durch und durch zu graben und zu mifchen, Derborgenes und Vergesse-
nes ans Licht des lebendigen TageS zu heben, das Verftockte und Verbrauchte am
hohen Feuer der Ahnen zu läutern und zu reinigen und nicht nur das Gedächtnis
königlichen Reichtums wachzuhalten, sondern den Reichtum selbft wieder in die ver-
armten Hände zu legen. Schon kündigt sich eine Reihe neuer Derdeutfchungen großer
Werke der Weltliteratur an, die seit langem keiner mehr hatte wagen wollen; es ift,
als prüftcn die Dichter wieder und wi'eder das Jnftrument. Schon hat sich, von
wenigen nur gekannt und geliebt, eine neue Lyrik gebildet, fchon eröffnen einige
epifche Werke hohcn Ranges wieder wahrhaft dichterifche Welt: Welt, in welcher
die Geftirne wieder leuchten, drohen und verheißen, Welt, in welcher dem Hunger
des menfchlichen Herzens nach Größe, Größe des Suchens, Größe des Handelns und
Leidens, Größe der Geschicke wieder Genüge getan wird. Dersinkt nicht alles, was
denn Kultur, was Geift heißen darf, in den Strudeln dieser Zeit, mnß nicht mi't dem
europäifchen der deutfche Geift in die Grabkammer niederfteigen, so muß der Tag
kommen, an dem das Volk, an dem die Jugend vor ihre Dichter tritt und die
Sprache von ihnen fordert, deren sie bedarf, um der neuen Weltftunde Genüge zu tun.
Wir hoffen, wir vertrauen, daß sie nicht vergeblich fordern wird. Dann mag auch
die Stunde eines neuen Mythos angebrochen sein, mag sich, in einer geläuterten
Sprache befchworen, die wahr und klar klingt, wie nur je in hohen Tagen unserer
GeifteSgefchichte, und die mit der Anmut der vollendeten Kraft ihre Mäler zu ersprin-
gen und zu erkanzen weiß, auch der Himmel über der Nation mit neuen Geftalten
erfüllen, vor derenAugen derSchwarm undSpuk derGegenwart nicht gewesen sein wivd.

Moderne Bildnerei

Von Joseph Popp

moderne Bildhauere! ift nicht wi'e die Malerei eine internationale Angelegen-
? I heit: sie befchränkt sich im wesentlichen auf Frankreich und Deutfchland und hat
sich hier ungleich vielseitiger und ftärker entwickelt alö dort. Seit der Floren-
tiner Frührenaissance erlebte die Plaftik keine solche Fülle der Werkftoffe und
Techniken, der Aufgaben und Künftlerpersönlichkeiten, wie in der deutfchen Plaftik

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